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fitnesswelt.de

Interview

Datum: 24.08.2023
fitnesswelt.de

fitnesswelt.de: Heute haben wir Christoph Lex von Carnivoro zu Gast. Lieber Christoph, viele der Vorteile, die eine rein Carnivore Ernährung mit sich bringt, sind bereits hinlänglich thematisiert worden und zumindest in der Fitnessszene bekannt. Heute möchten wir uns allerdings einem Aspekt widmen, der erst seit wenigen Monaten eifrig diskutiert wird: die Auswirkungen auf die Konzentration, die mentale Stärke und das allgemeine Energielevel.
Christoph Lex: Mittlerweile ist natürlich hinreichend bekannt, dass eine extrem fleischlastige Ernährung gerade für Kraftsportler und Bodybuilder von Vorteil sein kann. Das weiss man übrigens schon seit den späten 60er Jahren. So war der legendäre französische Bodybuilder Serge Nubret dafür bekannt, täglich bis zwischen 2 und 3 Kilogramm Pferdefleisch zu essen und wurde damals zum muskulösesten Mann der Welt gekrönt. Neben hohen Konzentrationen der wichtigen verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAAs) enthält rotes Fleischen extrem hohe Konzentrationen an Kreatin und Carnitin, die beide das Muskelwachstum stimulieren und Bestandteil vieler Sport-Supplements sind. Allerdings beschränken sich die Vorteile einer Carnivoren Ernährung längst nicht nur auf gesteigertes Muskelwachstum und mehr Kraftzuwachs. Bei entsprechender Gestaltung ist die Carnivore Diät eine ketogene Diät. Das heißt, dass der Körper seinen Energiestoffwechsel umstellt und den Großteil seiner Energie aus Fetten anstatt aus Kohlenhydraten bezieht. Ketogen bedeutet, dass die Mitochondrien der Leber beim Abbau von Fettzellen Ketonkörper produzieren, die vom Körper als Energie genutzt werden können. Wird die Ernährung von Kohlenhydrate auf Fette umgestellt, dauert es vier bis sieben Tage, bis der Körper den in Muskulatur und Leber gespeicherten Zucker (Glykogen) verstoffwechselt hat und damit beginnt, die eigenen Fettreserven zur Energiegewinnung zu nutzen. Durch die Ketose wird der Körper stetig mit ausreichender Energie versorgt, wodurch der Blutzuckerspiegel konstant gehalten wird. Dadurch werden starke Energieschwankungen, Tagesmüdigkeit insbesondere nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten vermieden. Oft berichten Menschen, die sich ketogen ernähren, von einer gesteigerten mentalen Klarheit, weniger Brainfog und gesteigerter Produktivität durch das konstante Energielevel.


Christoph Lex

fitnesswelt.de: Wie kann der Durchschnittsbürger, der nicht gerade für einen Wettkampf trainiert oder seinen Körperfettanteil auf eine einstellige Prozentzahl bringen möchte, von der Carnivoren Ernährungsweise profitieren? Lohnt es sich für Sportler, die nicht nach Siegen, Rekorden und Medaillen streben, überhaupt, sich bei der Ernährung so einzuschränken?
Christoph Lex: Nietzsche hat mal gesagt: “Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie”. Natürlich muss man sich darüber im Klaren sein, warum man sich Carnivore ernähren will. Denn diese Art der Ernährung erfordert schon eine gesunde Portion an Willenskraft und Durchhaltevermögen. Allerdings gäbe es für den oben genannten Durchschnittsbürger gleich mehrere gute Gründe, die Ernährung entsprechend anzupassen. Laut dem Statistischen Bundesamt waren 54% aller Erwachsenen Deutschen übergewichtig. Zudem leiden über 40% aller Deutschen an einer chronischen Erkrankung. Sowohl Übergewicht als auch chronische Erkrankungen sind die Hauptgründe, die Menschen zu einer Carnivoren Ernährung bewegen. Nicht selten verlieren Menschen in den ersten Wochen einer Carnivore Diät 5-10 Kilogramm. Zudem beobachten viele ein deutliches Abklingen der Symptome von Autoimmunkrankheiten. Gerade bei chronischen Darmerkrankungen wie Colitis Ulcerosa oder Morbus Crohn führt das Weglassen aller pflanzlichen Lebensmittel rasch zu einer deutlichen Linderung der Beschwerden. Mittlerweile gibt es auch schon erste Studien, die die Effektivität der Carnivore Diät bei Übergewicht, chronischen Darm- und Hauterkrankungen belegen. Bei einer Studie der Harvard Universität aus dem Jahr 2021 konnten 95% der über 2000 Studienteilnehmer durch die Carnivore Diät ihren allgemeinen Gesundheitszustand verbessern. 91% der Befragten hatten ein verbessertes Sättigungsgefühl und deutlich weniger Heißhungerattacken. 89% verbesserten oder beseitigten ihre Autoimmunerkrankung.

fitnesswelt.de: Kannst du uns mehr über die konkrete Gestaltung deiner Carnivoren Ernährung erzählen? Fehlen dir als Ausdauersportler denn nicht die Kohlenhydrate?
Christoph Lex: Als ich vor 5 Jahren mit der Carnivoren Ernährung angefangen habe, habe ich mich strikt Carnivore ernährt, mit hohem Fettanteil und ohne Milchprodukte. Heute gleicht meine Ernährung am ehesten einer animal-based diet. Das heißt, dass alle Lebensmittel tierischen Ursprungs erlaubt sind (inkl. Milch, Käse) und ich auch verhältnismäßig geringe Mengen an Kohlenhydraten wie Honig und gut verträgliches Obst wie Beeren oder Bananen zu mir nehme. Viele Carnivore Anhänger konsumieren auch Innereien wie Leber und Milz, da diese extrem reich an Vitaminen und Spurenelementen sind. Allerdings finde ich den Geschmack von Innereien eher gewöhnungsbedürftig und supplementiere deshalb mit gefriergetrockneten Rinderleberkapseln, die es auch auf dem Onlineportal carnivoro.eu zu kaufen gibt. Beef Liver ist ein absolutes Superfood und steht bei vielen Carnivoren hoch im Kurs. Kein Lebensmittel hat pro Gramm mehr Vitamine und Spurenelemente als die Leber. Normalerweise esse ich 3500-4000 Kalorien pro Tag, davon sind immer 250g Protein, 250g Fett und 100-200g Kohlenhydrate je nach Härte der Trainingseinheiten. Ich esse nie mehr als 2x pro Tag, bei geringerem Trainingspensum auch gerne mal nur 1x täglich.

fitnesswelt.de: Das würde ja heißen, dass nur knapp 20% deiner täglichen Kalorien von Kohlenhydraten kommen. Wie ist das mit dem Ausdauertraining und Wettkämpfen vereinbar?
Christoph Lex: Genau, meistens ist es sogar noch deutlich weniger. Da ich mich in der Wettkampfsaison zu keiner Zeit in Ketose befinde, reicht mir mein Glykogenspeicher für 80% der Trainingseinheiten aus. Lediglich vor Wettkämpfen und sehr harten Einheiten nehme ich 100-200g für mich gut tolerierbare und schnell wirkende Kohlenhydrate (Honig, Milchreis, Bananen, etc.). Mein morgendliches Ausdauertraining erfolgt fast ausnahmslos auf nüchternen Magen. Das funktioniert für mich für Dauerläufe von bis zu 2 ½ Stunden sehr gut. Da ich mich seit 2018 Carnivore ernähre, denke ich auch, dass mein Körper bei vergleichsweise hohen Belastungen prozentual mehr Fett verbrennt als der typische high-carb Ausdauersportler. Nach dem morgendlichen Training nehme ich je nach Volumen und Intensität zwischen 100-200g Kohlenhydrate zu mir. Für den Rest des Tages kommen dann fast ausschließlich Fleisch und Tierprodukte auf den Teller. Bei mir scheint die Carnivore Ernährung deshalb so gut zu funktionieren, weil ich schon seit 5 Jahren so esse und trainiere. Man spricht dann gerne auch von Fettadaption, also der Fähigkeit des Körpers, Fett effizient zu verstoffwechseln. Werden zu viele Kohlenhydrate konsumiert, wird der Fettstoffwechsel blockiert. Oft sieht man Studien zur Sport Performance bei ketogener Diät, bei der Studienteilnehmer nur für etliche Wochen auf eine Ketogene Ernährung umstellen. Diese Athleten sind dann natürlich nicht vollständig fat-adapted und können dann oft nicht die Leistung liefern, die mit Kohlenhydraten erreicht werden kann. Oft dauert es Monate oder sogar Jahre, bis der Körper wieder lernt, Fett effizient zu verbrennen.

Fitnesswelt.de: Hast du noch abschließende Tipps für Leute, die damit liebäugeln, sich Carnivore zu ernähren?
Christoph Lex: Ich denke, man muss sich darüber im Klaren sein, warum man eine Carnivore Ernährung beginnen will. Geht es darum, überschüssiges Gewicht zu verlieren oder darum, eine Autoimmunerkrankung loszuwerden? Oder will man einfach nur gesünder leben und ungesunde Lebensmittel wie Zucker und Saatenöle vermeiden? Wer bereits sein Idealgewicht hat, keinerlei gesundheitliche Probleme hat, bereits viel Fleisch isst und keinerlei verarbeitete Lebensmittel konsumiert, muss sich nicht weiter mit dem Thema Carnivore Diät auseinandersetzen. Für alle anderen kann es durchaus Sinn machen, zumindest für einen Monat ein Selbstexperiment zu wagen. Idealerweise erfolgt die Ernährungsumstellung dann für mindestens 30 Tage, da sich viele positive Aspekte der Carnivoren Ernährung erst nach zwei Wochen bemerkbar machen. Man sollte sich aber jederzeit darüber im Klaren sein, dass so eine Umstellung schon ein gesundes Maß an Disziplin erfordert. Wenn es so einfach wäre, würde es ja schließlich jeder machen.